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Es gibt gewisse Gebäudetypen, von denen man lediglich eines gesehen haben muss, um auf die Gesamtheit des Typus schließen zu können. Beim Typus „Herrenhaus“ ist dies aufgrund der Vielfältigkeit der Bauformen nicht ohne weiteres möglich. Insbesondere Sommerfeld scheint diese Perspektive auf eindrückliche Weise zu bestätigen. Die Uneinheitlichkeit macht die Gattung für die Bauforschung und den an derartigen Bauten Interessierten gleichermaßen so interessant.
Sommerfeld schien lange Zeit der Vergessenheit und der Natur anheimzufallen. Dabei handelt es sich um eines der ältesten und bauhistorisch wertvollsten Häuser dieser Art. Optisch besteht das Herrenhaus aus zwei Gebäudeteilen unterschiedlicher Höhe, die vermutlich in gewissem zeitlichen Abstand voneinander errichtet worden sind. Das Mauerwerk gibt ein wenig der Geschichte des Hauses preis. Das verbaute so genannte Klosterformat der Ziegel - also eines der in vorindustrieller Zeit genutzten Formate - sowie die etwas breitere Fuge verweisen auf eine Entstehungszeit um das Jahr 1500. Der niedrigere Südwestflügel wurde im frühen 20. Jahrhundert um etwa einen Meter verlängert. Aus dieser Zeit stammt auch die Rustizierung der Ecken dieses Gebäudeteils.
Die in Teilen noch erhaltene wandfeste barocke Ausstattung verweist auf die zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Bemerkenswert sind hier vor allem die Türen, die Lambris mit geschweifter Füllung und die plastisch geformte Stuckdecke im Saal. Der darunter liegende Raum wiederum besitzt dagegen noch sein Tonnengewölbe aus spätmittelalterlicher Zeit.
Ein Kontrast scheint dagegen die Deckengestaltung des Saales im Erdgeschoss des Südwestflügels zu sein: Die jeweils gegenläufig mäandernden Stuckprofile tragen in ihren Zentren die Fassungen für eine Vielzahl elektrischer Glühbirnen. In der Zeit um 1910 war dies nicht nur besonderer Ausdruck des Stands der Technik, sondern auch einer speziellen Auffassung von der Einbeziehung des Nützlichen und Funktionalen in die Raumgestaltung. Die so entstandene Deckenbeleuchtung aus gleichmäßig in die Decke eingelassenen Lichtquellen mag Zeitgenossen sicher beeindruckt haben.
Die Kubatur des Herrenhauses mit seinen Satteldächern erinnert bisweilen eher an ein giebelständiges Haus in einer hanseatischen Altstadt. Und dieser Eindruck täuscht nicht: als Eigentümer werden insbesondere Stralsunds einflussreiche Ratsherrendynastien genannt. Es ist also ein durch das reiche Bürgertum Stralsunds errichtetes, so genanntes „Festes Haus“.
Dem Herrenhaus ist im zwanzigsten Jahrhundert auf keine positive Weise und in vollkommener Verkennung seiner bauhistorischen Bedeutung mitgespielt worden. Der Leerstand seit 1986 führte zu zunehmender Verwahrlosung. Durch Übungen der Feuerwehr zweckentfremdet, nahm das Gebäude weiteren Schaden.
Der jahrelange Leerstand führte darüber hinaus auch zu erheblichen Vandalismusschäden und Mülleintrag.
Um dem Einhalt zu gebieten, vermauerte man die Fenster des Erdgeschosses. Kurioserweise scheinen ausgerechnet die Müllberge das Haus vor weiteren Substanzverlusten geschützt zu haben. Die erwähnten barocken Täfelungen blieben an jenen Stellen erhalten, an denen sich der Sperrmüll besonders hoch türmte. An anderer Stelle gingen sie unwiederbringlich verloren.
Die uns bereits bekannten Christina Ahlefeldt und Knut Splett-Henning nehmen uns ein Stück mit auf ihre Reise mit dem Haus, das sie in seine Zukunft begleiten. Von Feierabendziegeln, historisch relevanten Fundstücken, Fragmenten alter Wandbespannungen, dem Faktor Zeit und dem Respekt vor dem Haus - Sommerfeld hat viele Geschichten zu bieten.