Neu-Augustusburg, Weißenfels

Der Podcast - Das ganze Interview

Natürlich brauchen wir jeden Klick auf den Streamingplattformen, aber nicht jeder von uns hat Spotify und Co. Dafür findet ihr hier den ganzen Podcast in voller Länge. Viel Spaß beim Anhören.

Neu-Augustusburg, Weißenfels

Wo, wenn nicht in Weißenfels, liegen die Vorstellungen von Idealen und der Wirklichkeit räumlich so dicht beieinander? Bereits bei der Zufahrt zum Schloss sind die unterschiedlichen baulichen Erhaltungszustände des Hauses augenfällig und geben erste Hinweise auf die baulichen Herausforderungen in der Gegenwart, lassen jedoch sowohl einen Blick in Vergangenheit als auch in die Zukunft des Schlosses zu. Die Historie des Hauses lehrt jedoch, dass die Lösung baulicher Herausforderungen wie so oft keineswegs nur ein Phänomen der heutigen Zeit ist, sondern bereits in der Entstehungszeit zu den vordringlich zu lösenden Aufgaben zählte. Schon im Barock zeigte sich manch Deckenkonstruktion im Südflügel ziemlich labil.

Als Architekt für Neu-Augustusburg wurde Johann Moritz Richter verpflichtet, der schon in Gotha ab 1643 mit Schloss Friedenstein sein Hauptwerk hinterließ und nun im Jahr 1660 den Weißenfelser Schlossberg auf den Trümmern der 16 Jahre zuvor von den Schweden geschleiften Burg mit dem Schloss bebaute. Der wuchtige Baukörper mit seinen lang gestreckten Seitenflügeln findet insofern bereits in Gotha eines seiner Vorbilder. Große Ähnlichkeit weist das Schloss zudem mit der Zeitzer Moritzburg auf, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit Neu-Augustusburg errichtet wurde. Offenbar haben sich die gestalterischen Grundsätze der beiden anderen Residenzbauwerke bewährt und trafen den Geschmack der Weißenfelser Herzöge, weshalb man auf die von Richter vorgelegten Entwürfe zurückgriff.

Die Grundsteinlegung erfolgte durch August von Sachsen-Weißenfels, dem ersten Herzog der Sekundogenitur Sachsen-Weißenfels und Begründer der Seitenlinie albertinischer Wettiner. Es kann vermutet werden, dass August das Schloss für seinen Sohn und Nachfolger Johann Adolf I. errichtete, der den halbfertigen Bau 1680 nach dem Tod seines Vaters bezog und vollenden ließ. Johann Moritz Richter schuf gemeinsam mit seinem Sohn eine der bedeutendsten frühbarocken Residenzen in Deutschland. Im Herbst 1682 konnte die Schlosskirche St. Trinitatis  geweiht werden. Sie ist ein Meisterwerk italienischer Stuckateure. Ihre Ausführung mit dem Tonnengewölbe und den von Arkaden getragenen Emporen verrät italienische Vorbilder der Renaissance. Die darunterliegende Gruft beherbergt die sterblichen Überreste von 38 Familienmitgliedern der Weißenfelser Wettiner in ausgesprochen kunstvoll gearbeiteten Sarkophagen.
Spiegelbildlich des hinter der weltlich-profanen Schlossfassade liegenden Sakralraums entspricht im Südflügel das Theater, das 1685 fertig gestellt wurde. Es ist durch Umnutzung in den vergangenen 200 Jahren nur noch rudimentär erhalten. Der Festsaal hingegen wurde nie fertig gestellt, denn das Fürstentum geriet durch die barocke Prachtentfaltung seines Weißenfelser Hofes in finanzielle Schieflage. Die eingangs erwähnten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der mangelhaften Bauwerksgründung waren bereits ein Problem, das Zeitgenossen beschäftigt hat, und im Hinblick auf die zerrütteten Staatsfinanzen war dem Problem auch nur schwer beizukommen. Der Schutt der alten Burg ist ein historischer Missstand, der die Ingenieure bis heute beschäftigt.

Und dennoch: die Herzöge erwiesen sich als eifrige Förderer der Kultur. Die musikhistorische Bedeutung Weißenfels‘ ist denn auch nicht zu unterschätzen. Im Jahr der Eröffnung des „Theatrums“ wurde Johann Sebastian Bach geboren. Er komponierte 1713 für Herzog Christian, dessen Jagdleidenschaft bekannt war, die bekannte Kantate „Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd“ und lässt den Herzog im Libretto mit dem Hirtengott Pan gleichsetzen. Auch die Schäferkantate entstand für den Herzog. Darüber hinaus erfuhr Georg Friedrich Händels Talent offenbar durch herzogliche Förderung in der Schlosskirche seine ersten Impulse. Händel und Bach - die Zeitgenossen waren zwar am gleichen Ort jedoch nicht zur selben Zeit. Sie sollten zum Bedauern Bachs einander nie begegnen.

1746 fand das schillernde höfische Spektakel sein Ende. Der letzte Herzog Johann Adolf II. starb ohne Nachkommen und somit war das Sekundogeniturherzogtum Sachsen-Weißenfels Geschichte. Es fiel zurück an Kursachsen. Das Residenzschloss wurde seither nur noch gelegentlich bewohnt. Mit den Neuordnungen Europas im Zuge des Wiener Kongresses wurde Weißenfels preußisch und eine Verwendung für das Haus im Sinne einer fürstlichen Residenz ergab sich auch jetzt nicht mehr. Stattdessen folgte nun eine militärische Nutzung für die nächsten gut einhundert Jahre. Wenige Monate zu Beginn des Nationalsozialismus war hier auch eine Gefangenensammelstelle für politische Häftlinge untergebracht.

Nach Kriegsende wurde im Haus das Schuhmuseum der DDR etabliert. Inzwischen Teil des Museums Weißenfels bietet die Sammlung u.a. eine beachtliche Breite an Schuhen aus der DDR-Produktion, die in ihrer Geschlossenheit einmalig ist und die die Geschichte des ehemals weltweit größten Standortes für Schuhproduktion erzählt, aber auch die Schuhmode des Barocks sowie zeitgenössische Designobjekte zeigt. Ein reicher Kulturkalender führt mit wechselnden Veranstaltungen darüber hinaus durch das Jahr.

Bianca Bernstein, Leiterin des Museums Weißenfels, und Isabell Radecke-Aurin, Leiterin der Schuhsammlung, sprechen mit uns über ihre Verbindung zum Haus, die Geschichte, die es erzählt, von den täglichen Herausforderungen, die es an sie stellt, von den Schätzen in ihren Sammlungen und von ihren Zukunftsvisionen. Mit einem virtuellen Rundgang durch das Haus im 18. Jahrhundert hat das Museum die Tür in die Zukunft bereits aufgestoßen.

Museum