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Vom „Bauwurmb“ sei er befallen, so schrieb einst Lothar Franz’ Lieblingsneffe Friedrich Carl in Wien an seinen Onkel. Auch dem Onkel sagt man diesen „Plagegeist“ nach. Beide sind bekannt für ihre Leidenschaft in Sachen Architektur. Ihre Briefwechsel über kühne Bauvorhaben und deren Probleme ist legendär. Lothar Franz von Schönborn, Fürstbischof von Bamberg (1693–1729), Kurfürst und Erzbischof von Mainz (1695–1729), Erzkanzler des Reiches und damit Berater des Kaisers in Wien hat zu dieser Zeit schon einige bedeutende Bauvorhaben abgeschlossen. Nach dem Kaiser galt er als der zweite Mann im Staat. 1711 krönte er den Habsburger Karl VI. im Dom zu Frankfurt zum römisch-deutschen Kaiser. Die Krönung schien zunächst nicht unbedingt sicher: Karl trat das Erbe seines früh verstorbenen Bruders Joseph an und das Europa des frühen 18. Jahrhunderts führte gerade Krieg um die habsburgische Erbfolge in Spanien. Für seine Treue an der Seite Karls und die Absicherung der Krönung Karls erhielt Lothar Franz 100.000 Gulden, mit denen er ab 1711 den Bau des riesigen private Sommerresidenz Schloß Weissenstein bei Pommersfelden finanzierte. Mit dem Bau dieser barocken Palastarchitektur wurde Johann Dietzenhofer beauftragt, für das riesige Treppenhaus - „seine Stieg“ - lieferte er selbst die Ideen.
Das Gemäldeverzeichnis der Galerie von 1719 verzeichnet 480 Stücke. Es ist der älteste gemäldekatalog in Deutschland. Für den Erwerb dieser Kunst griff Lothar Franz tief in die Tasche und verschuldete sich erheblich.
Zu den bedeutendsten Sälen, auf die - wie aus Briefen hervorgeht - bereits Lothar Franz besonders stolz war, zählt die Sala terrana. Der als Grottensaal konzipierte Gartensaal besteht aus Marmor, Glas, Muscheln und Schlacke an den Wänden. Dieser flach gewölbte Saal trägt die Last des darüber liegenden Marmorsaals. Die Wände sind daher besonders mächtig und die Einrichtung einer Grotte schien hier naheliegend. Der kühle Eindruck wird gesteigert durch die vier Terrassenbrunnen an den Seiten. Seinen Höhepunkt findet der Grottenzauber bei all seinen zahlreichen optischen Kuriositäten jedoch im Flatterecho. Diese akustische Überraschung wird größer, je mehr sich der Besucher dem Zentrum des Saals nähert und steigert sich hier ins Fantastische.
Als Weißenstein fertig ist, wird ein weiterer Neffe Fürstbischof von Würzburg werden. Dort plant man die Residenz und Weissenstein dient als Vorbild. Die Eilkuriere sind zu dieser Zeit wohl täglich unterwegs: Lothar Franz und seine Neffen in Wien und Würzburg tauschen einander intensiv Pläne und Unterlagen aus.
Lothar Franz gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Seine politischen Ambitionen verbindet er mit einem ausgesprochen feinen Kunstsinn. Dieses Erbe mag sowohl Zeitgenossen als auch die Nachwelt rückblickend trotz der finanziellen Herausforderungen bei Lothar Franz versöhnlich gestimmt haben. Als Reichskanzler strebte er nach dem Zusammenhalt Stärkung des Reiches. Als Kurfürst richtete er sein Augenmerk auf den Wiederaufbau seines Staates nach dem den Pfälzischen Erbfolgekrieg beendenden Frieden von Rijswijk sowie nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Stabilität erlangte sein Staatswesen in Verwaltung, Justiz und Fiskalpolitik durch eine straffere Zentralisierung.
Noch immer ist Pommersfelden im Besitz der Grafen von Schönborn-Wiesentheid. Damit kann Schloß Weissenstein auf eine in Deutschland nahezu einzigartige Kontinuität zurückblicken. Der Bauwurmb, von dem sich einst Lothar Franz ergriffen sah, ist heute zwar längst nicht mehr so aktiv wie damals. Dennoch erweist sich die Familie als unternehmerisch ausgesprochen aktiv und ideenreich, um für den baulichen Unterhalt der Anlage zu sorgen. Paul Graf von Schönborn-Wiesentheid und seine Tochter Benedicta Gräfin von Merveldt erzählen uns von der faszinierenden Persönlichkeit Lothar Franz‘, der kulturhistorischen Bedeutung des Schlosses Weissenstein, das nahezu unverändert die Zeit überdauert hat, und von den Perspektiven eines großen Hauses in der heutigen Zeit. Mit dem Collegium Musicum im Schloss scheint sich auch die kulturelle Förderung bis in die Gegenwart fortzusetzen.