Herrenhaus Udars

Der Podcast - Das ganze Interview

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Der Weg auf die Insel Hiddensee führt in aller Regel über die Insel Rügen. Hier, am westlichsten Ende dieses Weges liegt der Ort Udars. Udars und Hiddensee: Beides gehörte lange Zeit zusammen, denn Udars diente bis zur Reformation und der Säkularisation des Klosters auf Hiddensee zu dessen Versorgung. Das Gut ging anschließend 1536 als Domaniumin den Besitz der pommerschen Herzöge über. Ab 1624 diente das Gut für einige Jahre als Wittum für Agnes von Pommern-Wolgast und trug zu dieser Zeit auch ihren Namen. Agnes, die sich 1628 mit Franz-Karl von Sachsen-Lauenburg erneut verheiratete, verlor damit zwar ihren Anspruch auf das Wittum, konnte allerdings ihren Besitz mithilfe ihres Ehemannes und Wallensteins gegenüber Herzog BogislawXIV. durchsetzen. Im darauffolgenden Jahr verstarb Agnes. 1629 wurde Udars an die Schwester Herzog Bogislaws XIV., Anna von Croÿ, verschenkt.
 
Nach dem Tode des Herzogs 1637 erlosch nicht nur das Greifengeschlecht: Aufgrund vertraglicher Regelungen wurde auch das Herzogtum zwischen Schweden und Brandenburg aufgeteilt und der persönliche Besitz des Herzogs auf Anna als der letzten verbliebenen unmittelbaren Verwandten übertragen. Damit begann auf Rügen die sogenannte schwedische Zeit.
 
Einige Jahre später wurde der Besitz veräußert. Das Gut, das Zeitgenossen zufolge einträgliche Revenüen erwirtschaftete, verhinderte nicht die wirtschaftliche Schieflage seines Besitzers. Einen wesentlichen Beitrag hierzu mag der Brand im Jahr 1723 geleistet haben, der das Herrenhaus und das Gut in starke Mitleidenschaft zog. Das Gut wurde anschließend wiederaufgebaut. 1731 machte der schwedische König Friedrich I. mit seiner Entourage in Udars Station und nutzte das Herrenhaus zur Unterkunft. Der König war zugleich Landgraf von Hessen-Kassel und bei dem wohl einzigen Besuch seiner hessischen Erblande hielt er sich auf seiner Durchreise in Udars auf. Die Unterbringung des königlichen Gastes mit seinem Gefolge wird für den Gastgeber mit nicht geringen Kosten verbunden gewesen sein. Das Gut jedenfalls hat sich augenscheinlich auch jetzt nicht mehr erholt, sodass es etwa 1735 veräußert wurde und an die Familie von Usedom ging, die bereits auf Kartzitz ein Gut besaß.
 
Auch diese Familie hinterließ ihre Spuren in der Geschichte: Guido von Usedom etwa brachte es zum preußischen Gesandten in Italien und 1872 wurde er zum Generaldirektor der Museen in Berlin ernannt. Dessen Tochter, Hildegard von Usedom, war jedoch gezwungen, Kartzitz und Udars zu veräußern. Zu groß waren die finanziellen Belastungen für ihren aufwendigen Lebensstil am Hof des bayerischen Königs Ludwig II. Sie lebte zuletzt in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen und verstarb 1924 in Wien.
 
Mit der vorletzten Jahrhundertwende wechselten mehrfach die Besitzer. Nach dem Krieg wurde Familie von Schultz, die einen Saatzuchtbetrieb führte, enteignet und eine erhebliche Anzahl an Flüchtlingen in Udars untergebracht. Das Herrenhaus wurde später Teil eines sogenannten Volkseigenen Gutes, dessen Mitarbeiter hier Unterbringung fanden. Diese Nutzung endete 1997.
 
Lange Zeit ging die Bauforschung davon aus, dass das Haus etwa um 1660 errichtet worden ist. Allerdings spricht vieles dafür, dass das Haus noch einige Jahrzehnte älter ist. Am und im Haus finden sich einige Zeugnisse aus der Renaissance. Die Haupttreppe mit ihren beeindruckenden Balustern ist Ergebnis des Wiederaufbaus nach dem Brand 1723. Die Gestaltung der Holzböden ist von bemerkenswerter Schönheit. Auch sie haben sich erhalten wie Teile handgemalter Tapeten.
 
Sieht man von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einmal ab, so ist es erstaunlich, dass sich im Herrenhaus trotz seiner bewegten Geschichte über die Jahrhunderte derart vielfältige Spuren der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten haben. Auch Familien wie die von Usedoms, deren Vertreter durchaus beachtliche gesellschaftliche Positionen erlangten, überformten das Herrenhaus nicht derart durchgreifend in ihrem jeweiligen Zeitgeschmack, dass dabei die Spuren der Vergangenheit vollständig getilgt worden wären. Und immer wieder gibt das Haus neue Überraschungen preis.
 
Lars Jacob Hvinden-Haug und Tilo Uischner übernahmen Udars im Jahr 2012. Seither wird das Herrenhaus sukzessive restauriert. Sie berichten uns von ihren Entdeckungen, von den ersten Momenten im Haus, der Aufnahme in die Dorfgemeinschaft und vom Faktor Zeit. Ihre jeweiligen Professionen, ihr Bedürfnis von dem Haus zu lernen und Neugier sind dabei der Nährboden für die Bewahrung eines großartigen Stücks Zeitgeschichte.